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Rückenwind für Veränderung: Die Begeisterten zu Unterstützern machen

von Frank Nägele

Der Zuspruch zu Vereinen wie NeXT oder zu stiftungsgetragenen Initiativen wie Re:Form zeigt, dass es bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine Vielzahl engagierter und innovativer Menschen gibt, die offen für Veränderung sind. Dass es deutlich mehr sind als auf den ersten Blick erkennbar, lässt eine schon etwas in die Jahre gekommene McKinsey Studie erahnen. Grosso modo ist rund ein Viertel der Beschäftigten veränderungsbereit, rund die Hälfte unentschlossen und rund ein Viertel gegen Veränderung. Will ich Organisation verändern, brauche ich zwei der drei Gruppen. Ich brauche die Veränderungsbereiten und die Unentschlossenen. Die unentschlossene Hälfte werde ich aber nur gewinnen, wenn das veränderungsfreudige Viertel engagiert, motiviert und für die anstehende Veränderung qualifiziert ist.

In Organisationen der öffentlichen Verwaltung herrschte über viel zu lange Zeit eine regelrechte Furcht vor Veränderung. Die Gründe sind vielfältig. Eine mangelhafte Fehlerkultur, eine Personalentwicklung, die Widerspruch und Innovation eher unterbunden hat, und das lange geltende Primat der Einsparung bei jedweder Veränderung sind sicherlich wesentlich.

Eine Folge dieser kulturell verfestigten Veränderungsaversion ist, dass sich veränderungsbereite Menschen zurückgezogen haben und ihre Lust auf Veränderung verkümmert ist. Wenn nun eine Kultur der Veränderungsfreude und der Neugier auf Neues entstehen soll, müssen in einem ersten Schritt die Veränderungsbereiten in der öffentlichen Verwaltung angesprochen und wieder motiviert und qualifiziert werden.

Das kann durch Institutionen wie NeXT oder Re:Form sicherlich angestoßen werden. Wichtig ist aber darüber hinaus, dass die Menschen direkt in der Organisation angesprochen, vernetzt und gezielt auf anstehende Veränderungen vorbereitet werden. Sie werden damit zu Change-Agents. Da es mehrere Definitionen dieser „Frontrunner“ und Vertreter*innen des Wandels gibt: Aus meiner Sicht definieren sich Change-Agents nicht über Führungsverantwortung oder Teilnahme an einem Innovationsprojekt. In schier jedem Aufgabenbereich in Organisationen und auf allen Hierarchieebenen können Veränderungsfreudige eine Art Führungsrolle bei der Erklärung und Entwicklung von Veränderung übernehmen. Wichtig ist, dass sie dafür vorbereitet und qualifiziert sind.

Nun gibt es bereits in vielen Organisationen Mentoring-Programme, Fach-Communities (wie die Digitalisierungsbeauftragten in den Einheiten der Organisation) oder Karriere-Netzwerke, die adressierbar sind und bereits angesprochen werden. Diese Netzwerke erfassen allerdings nur einen Teil der Menschen, die Veränderung unterstützen. Change-Agents aber gibt es auf allen hierarchischen Ebenen - in der Führung wie im Assistenzbereich - und allen Aufgabenbereichen. Besonders wichtig ist also die hierarchie- und zuständigkeitsfreie Ansprache. Das zeichnet Change-Agent-Programme deshalb aus.

Welche Elemente sollte nun ein entsprechendes Programm haben?

Es geht um Vernetzung! Für die Change-Agents bietet die Vernetzung wichtige Vorteile: Zu wissen, dass der oder die Einzelne mit Veränderungsideen nicht allein ist, erhöht die Arbeitszufriedenheit. Es bieten sich Möglichkeiten der kollegialen Beratung. Der Arbeitsalltag für die Einzelnen wird bunter. Und für die Organisation entsteht ein Überblick, wer wo wie Veränderung unterstützen kann.

Es geht um Qualifizierung! Je dynamischer die Veränderungsfreude (Dabei geht es um das Wissen, wo es hingehen soll und was die eigene Rolle sein könnte), je entwickelter der Blick über den Tellerrand (Wie machen es andere), je ausgeprägter Verlässlichkeit und Verantwortungsbereitschaft (Wer mitmacht, steht und hält auch mal Gegenwind aus) und je stärker die Fähigkeit zuzuhören, desto gezielter und kräftiger ist der Beitrag der einzelnen Change Agents.

Es geht um Wertschätzung! Veränderung geht nicht nine-to-five. Veränderung verlangt Engagement – und das bedarf der Würdigung. Gerne außerhalb der Kernarbeitszeit, aber bitte nicht halbgar und nicht nebenbei.

Die Vorteile eines Change-Agent-Programms erschöpfen sich für die Organisation nicht nur in der Unterstützung von Veränderungsprozessen. Ganz nebenbei entsteht ein Talent-Pool für die Personalentwicklung.

Der gezielte Aufbau eines Change-Agents-Netzwerkes bedarf der professionellen Begleitung. Damit sind personelle und finanzielle Ressourcen notwendig. Um ein entsprechendes Netzwerk beispielsweise in einem Bundesministerium aufzubauen, bedarf es einer Einheit mit anfangs zwei bis drei Beschäftigten und eines angemessenen Etats, mit dem entsprechende technische Tools (Kommunikationsplattform, physische Treffen etc.) und verbindende Veranstaltungen finanziert werden können. Kommunikation und gemeinsames, veränderungsbezogenes Erleben sind Schlüssel für ansteckende Begeisterung.

Autor: Dr. Frank Nägele ist Beauftragter der saarländischen Landesregierung für den Strukturwandel.

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